Fragen zum Turm und zur Kirche
Die 12 Apostel
Die Wappentafel
2. Antwort:

Fragen und Antworten

Zunächst ist sie – neben dem Bergfried der Burg – das markanteste Gebäude der Stadt und damit ein Wahrzeichen. Diese Funktion wird sie mit wieder aufgesetzter Turmspitze natürlich noch besser erfüllen können. Dann wird der Kirchenbau nämlich wie früher von vielen Stellen der Stadt und auch aus der Ferne sichtbar sein. Als Erkennungszeichen von Putlitz trägt sie zur Unverwechselbarkeit der Stadt bei und kann dadurch Identität stiften.

Natürlich ist die Kirche außerdem ein wichtiges Zeugnis der Stadtgeschichte und des christlichen Glaubens. Sie steht an dem Ort, wo seit etwa 800 Jahren Gottes Wort verkündigt wird und eine christliche Gemeinde ihre Gottesdienste feierte. Der jetzige Bau ersetzte einen barocken Fachwerkbau, der wiederum an Stelle einer noch älteren Kirche entstanden war. Über deren Aussehen ist nichts bekannt. Darüber könnten nur archäologische Grabungen Aufschluss bringen. Erhalten sind jedoch Ausstattungsstücke der Vorgängerkirchen: Dazu gehören das bereits von Herrn Foelsch vorgestellte Wappenschild des 1731 verstorbenen Rudolf Heinrich Ganz zu Putlitz und die aus dem 17. Jahrhundert stammende alte Messing-Taufschale . Erhalten hat sich in Putlitz sehr gut die besondere städtebauliche Situation mit dem beschaulichen Kirchplatz. Obwohl er nur wenige Schritte von der Hauptstraße entfernt liegt, blieb er doch ein Ort der Ruhe. Vermutlich bezeichnet er den ältesten, im Schutz der Burg entstandenen Siedlungskern der Stadt, die dann in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts planmäßig erweitert wurde (im Bereich von Ernst-Thälmann- und Rudolf-Breitscheid-Straße mit dazwischen liegendem Markt).

Nun wird es aber Zeit, zum Kirchenbau selbst zu kommen. Er unterscheidet sich durch Entstehungszeit und Baustil von den meisten anderen märkischen Stadtkirchen. Diese stammen häufig noch aus dem Mittelalter, wie in Perleberg, Pritzwalk oder Wittstock. Auch in der Barockzeit und dem Klassizismus entstanden etliche Gotteshäuser (z.B. Lindow und Neuruppin). Schließlich kam es in der Kaiserzeit, also seit 1871, zu zahlreichen Neubauten für die damals wachsenden Gemeinden. Dazu gehört Wittenberge. Die 1854 vollendete Putlitzer Kirche gehört zu den wenigen Beispielen aus der Zeit dazwischen. Neu gegenüber den strengen klassizistischen Putzbauten der vorangehenden Epoche ist das lebhafte Erscheinungsbild, hervorgerufen durch den reizvollen Farbkontrast zwischen dem Feldsteinmaterial einerseits und den Gliederungselementen sowie Fenstereinfassungen aus roten Ziegeln andererseits. Die einheimischen Baumaterialien wurden wieder „präsentiert“ statt sie hinter Putz zu verbergen. Darin folgt die Putlitzer Kirche dem großen preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel, der bereits bei seinem Frühwerk, dem Vorwerk Bärwinkel bei Neuhardenberg, Feldstein als Gestaltungsmittel einsetzte und mit der Friedrich-Werderschen Kirche in Berlin einen für spätere Architekten vorbildlichen Sichtziegelbau geschaffen hatte. Mit dem Sichtbarmachen märkischer Baumaterialien und manchen Gestaltungselementen suchte man auch an das inzwischen „wiederentdeckte“ Mittelalter und damit die eigene Geschichte anzuknüpfen. Allerdings findet man in Putlitz keine direkte Nachahmung gotischer Bögen, Maßwerke oder anderer baulicher Elemente wie dies in der folgenden Zeit üblich wurde. Vielmehr schuf man hier etwas ganz Eigenes, das sich den gängigen Stilauffassungen entzieht. Manches erinnert an zeitgenössische Wirtschaftsgebäude (vgl. Gutsscheune in Groß Langerwisch von 1856). Während in der klaren, ja fast strengen Gestalt und dem durch große Fenster erhellten Innenraum der Putlitzer Kirche noch klassizistische Raumvorstellungen nachwirken, wecken die polygonale, also mehreckige, Apsis und das Baumaterial Erinnerungen an mittelalterliche Bauten. Originell ist auch die Gestaltung des Inneren, das durch Holzstützen und die Erhöhung des mittleren Raumteil eine an Basiliken erinnernde Wirkung erhielt.
Erst vor 100 Jahren kam der Turm hinzu. Er entstand in einer Zeit, als sich der sogenannte Historismus, die Anlehnung an architektonische Vorbilder vergangener Zeitepochen, dem Ende zuneigte. Im Gegensatz zum Kirchenschiff bekam er eindeutiger als „gotisch“ bestimmbare Formen, z.B. durch die spitzbogigen Portal- und Fensteröffnungen. Während aber einige Elemente, wie die Blendengliederung im Bereich der Schallöffnungen spätmittelalterlichen Vorbildern nachempfunden wurden (z. B. Ziergiebeln der Marienkirche Bernau und der Rathäuser Fürstenwalde oder Jüterbog), gibt es für die teppichartig ausgebreiteten Ornamentstreifen, die Portal und die Rundöffnung darüber umgeben, im Mittelalter keine Vorbilder. Hier kündigt sich wieder eine neue Baukunstepoche an.